Laischaften und Schnatgang in Osnabrück
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"Olle Use" ‚ 
so lautet der traditionelle Gruß der Mitglieder der Heger Laischaft, wenn sie nach sieben Jahren wieder zum Schnatgang ins Heger Holz ziehen. 
Schnat heißt "Grenze" und ist plattdeutsch, ebenso wie der Schlachtruf „Olle Use", der den Stolz auf den gemeinschaftlichen Besitz ausdrückt. Die Heger Laischaft führt ihre Geschichte bis auf das Jahr 1560 zurück; sie ist die älteste der Osnabrücker Bürgergemeinschaften, die in früheren Zeiten gemeinsam die Weidegründe vor der Stadt bewirtschafteten. Als es noch keine Katasterkarten gab, wurden die Grenzen eben beim Schnatgang besichtigt. 
Postkarte zum Schnatgang
Schnatgang 1899
Diese Festpostkarte ist nicht allein wegen ihrer liebevollen Zeichnung mit dem sich auf einen Grenzstein zubewegenden Ausmarsch interessant. Sie erinnert auch an die soziale Verantwortung der Osnabrücker Bürger für ihre Stadt. Der Kartengruß galt dem damaligen Laischafts-Buchhalter Carl Lammers, der Vorsitzender der Heger Laischaft von 1873 bis 1910 war. Wegen seiner Verdienste hat die Stadt Osnabrück eigens eine Straße nach ihm benannt. 

Die Osnabrücker Laischaften waren Bürgergemeinschaften, deren Entwicklung organisch mit der Geschichte der Gesamtstadt verbunden war. Laischaften hießen zunächst einige der alten Wahlbezirke, die in der de facto reichsfreien Stadt den Rat als Souverän der Gemeinde wählten. In der "Sate", der Wahlverfassung von 1348, findet sich das Wort Laischaft bereits als bekannte Bezeichnung. Die Bezirke hießen Binnenburg, Haselaischaft, Butenburg, Johannislaischaft und Neustädter Gemeinheit. Durch Jahrhunderte übernahmen die Laischaften auch die öffentlichen Aufgaben des Feuerlöschwesens, des Straßenbaues, der Straßeninstandhaltung und der Straßenbeleuchtung und entfalteten eine starke soziale Tätigkeit, indem sie bei Hungersnöten, Schul- und Kirchenbauten bedeutende Mittel aufbrachten.
 

Sonderstempel zum Schnatgang 1997 Sonderstempel zum Schnatgang 1990

Unter diesen Umständen war eine genaue Kenntnis der Laischaftsgründe, sowie der Berechtigungen und Begrenzungen für jeden Interessenten sehr wichtig. Dem Zweck der Unterrichtung dienten nun die Schnatgänge. Bei der Begehung der Grenzen (Schnat) wurden besondere Markierungspunkte der allgemeinen Aufmerksamkeit empfohlen, der lieben Jugend mit Ohrfeigen und versöhnenden Kringeln nahegebracht, Beeinträchtigungen der Grenze gerügt oder an Ort und Stelle beseitigt. Je mehr die Laischaften dazu übergingen, ihren ständig wachsenden Grundbesitz unmittelbar vor den Toren der Stadt nicht nur zur Gemeinschaftsweide, sondern zu Ackerland und Pachtgärten, ja auch zu Forstungen für die Laischaftsinteressenten auszuwerten, um so häufiger und gründlicher mußten die Schnatgänge durchgeführt werden, da die Zahl der anfallenden Merkpunkte immer größer wurde.

Als im 19. Jahrhundert die Laischaften in ihrer Bedeutung als Weidegenossenschaften zurückgingen, weil mit dem Fallen der Umwallung und der Ausdehnung der Gemeinde in die Bezirke vor den Toren die Weidetrift immer geringer, andererseits die Grenze durch Akten und Aufzeichnungen immer gesicherter wurde, gestalteten sich die Schnatgänge mehr und mehr zu Traditionsfesten.
 
Wort- und Buchhalter Frank Henrichvark verabreicht die Ohrfeige
Die traditionelle Ohrfeige
Mit Pferd und Wagen vor das Stadttor zum Schnatgang ins Heger Holz
Photos: Michael Hehmann (Neue OZ) 

An der Gestaltung des Festes hat sich in diesem Jahrhunderts nicht viel geändert. Man feiert es - wenn möglich - in Abständen von sieben Jahren. Hauptbestandteile des Schnatganges sind die Begehung mit den Interessenten und ihren Angehörigen unter gleichzeitiger Informierung über die erfolgten und geplanten Maßnahmen sowie über die bestehenden Grenz- und  Rechtsverhältnisse, wobei die traditionellen Ohrfeigen und Kringel zur Gedächtnisstärkung der Jugend dienen, die Rechnungslegung des Wort- und Buchhalters im Friedenssaal des Rathauses, ein Fackelzug mit anschließendem Kommers sowie ein allgemeines Volksfest vor den Toren der Stadt.

Das Einmalige an dem Fest ist aber die Ausschmückung des alten Laischaftsbezirkes, wobei der Osnabrücker Humor in schönster Blüte steht. Zu Dutzenden und Aberdutzenden finden sich an Straßenecken, an Haustüren und Fenstern, auf Balkons und gar auf den Dächern die grotesken, lebensgroßen Figuren, die in deftigem Plattdeutsch ihre Meinung verkünden.
 


Herrn Klaus Meinert danke ich für die Informationen und die Bilder.

last update: 14. Dezember 1999